Die finanzielle Schieflage für deutsche Krankenhäuser wird immer prekärer. Anstatt darauf zu hoffen, dass die Politik der Branche und damit auch viele Kliniken wieder auf die Beine hilft, sollten Gesundheitsorganisation an der Stellschraube drehen, die in ihren Händen liegt: den nachgelagerten Prozessen. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird so nicht mehr nur zum netten Nebeneffekt, sondern für Kliniken unumgänglich, um den stetig steigenden Kosten zu trotzen.
Es wird dieser Tage wieder viel über den Kostendruck im Gesundheitswesen gesprochen, denn so dramatisch war die Schieflage für die gesamte Branche wohl noch nie. Natürlich hatten viele Krankenhäuser schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie mit der finanziellen Situation zu kämpfen; Ukraine-Krieg, Inflation und Energie-Krise wirken aber wie Multiplikatoren für eine Branche, die finanziell am Stock geht. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schätzt, dass mehr als 60% der Kliniken rote Zahlen schreiben – Tendenz steigend.
Das Problem an der Geschichte: Krankenhäuser können nur bedingt selbst Einfluss auf ihre Bilanzen nehmen. Die gestiegenen Preise für Strom und Gas liegen ebenso wenig in den Händen wie die Folgen des Ukraine-Krieges auf die Lieferketten und die damit einhergehende Inflation. Die letzten Monate haben leidvoll gezeigt, welchen unmittelbaren Einfluss die Entwicklungen auf die Kosten für die Patientenversorgung haben; Kosten, die schon lange hoch sind und gefühlt immer weiter steigen.
Bleibt den Kliniken also nichts anderes übrig, als zuzuschauen, wie sich die Kostenspirale weiterdreht, und darauf zu hoffen, dass die Politik ein Milliardenpaket für die Rettung der Branche auf den Weg bringt? Mitnichten. Es gibt eine Stellschraube, an der Krankenhäuser aktiv drehen können, um ihre Ausgaben signifikant zu senken: die nachgelagerten Prozesse, die einen direkten Einfluss auf die Bilanzen der Gesundheitsorganisationen haben.
Während die steigenden Kosten für Primärprozesse, also die unmittelbaren Kosten für die Patientenversorgung, kaum bis gar nicht beeinflusst werden können, liegen die Kosten für die nachgelagerten Prozesse nämlich in den Händen der Krankenhäuser. Die gute Nachricht: Je nach Bereich lassen sich diese Kosten um 50% bis 70% senken und bieten damit ein erhebliches Einsparpotenzial, das Gesundheitsorganisationen nicht ungenutzt lassen sollten. Bleibt die Frage: Wie stellen sie das an?
Schlüssel zum Erfolg sind digitale Lösungen, die manuelle Prozesse ablösen und Effizienzgewinne bringen. Nehmen wir zum Beispiel die Bedarfsanforderung: Während heute hier noch viele Stationsmitarbeiter auf papierbasierte Prozesse setzen, die zeitintensiv und fehleranfällig sind, könnten diese in Zukunft von automatisierten Abläufen profitieren, die sowohl effizienter sind als auch monetäre Vorteile bieten.
Der Bedarfsanforderung im Krankenhaus verursacht nämlich immense Kosten, die aus nachgelagerten Prozessen entstehen. Grund dafür ist der unkoordinierte Einkauf. Dass die gleichen Produkte im Haus parallel bestellt werden, ist keine Seltenheit. Und dass die Bedarfsträger dabei die ausgehandelten Preise missachten, leider die traurige Wahrheit. Im Fachjargon spricht man hier von Maverick Buying, also den außervertraglichen Einkauf, der über das Jahr hinweg ungeahnte Kosten verursacht.
Bei öffentlichen Kliniken kommt erschwerend hinzu, dass sie an rechtliche Rahmenbedingungen gebunden sind, von denen viele Mitarbeiter außerhalb des Einkaufs schichtweg noch nie gehört haben. Ordern diese Mitarbeiter dann Produkte, die nicht mit dem strategischen Einkauf abgestimmt sind, bleibt das Krankenhaus im schlimmsten Fall auf den Kosten sitzen.
Mit der richtigen digitalen Lösung für die Bedarfsanforderung lassen sich diese Herausforderungen ganz einfach meistern. Krankenhäuser sollten es ihren Mitarbeitern nicht nur einfach machen, die gewünschten Produkte zu den vertraglich abgestimmten Preisen anzufordern, sondern durch intelligente Freigabe-Workflows auch sicherzustellen, dass der Einkauf bei allen Anforderungen stets den Überblick und die Kontrolle behält.
Der Komfort für die Anwender spielt dabei übrigens eine wesentliche Rolle, denn viele Stationsmitarbeiter sperren sich traditionell gegen die Einführung neuer Lösungen. Deshalb sollten Krankenhäuser auf intuitive Tools setzen, die von den Benutzeroberfläche an moderne Online-Shops à la Amazon angelehnt sind. Fühlen sich die Bedarfsträger im beruflichen Alltag an die User Experience erinnert, die sie aus ihrem Privatleben kennen, wird die Akzeptanz für die Lösung sofort da sein.
In den Finanzabteilungen von Krankenhäusern sehen Status Quo und Wunschszenario oft noch ähnlich aus. Obwohl die Vorteile von elektronischen Rechnungen weitestgehend bekannt sind, dominieren auch hier überwiegend manuelle Prozesse. Die Mitarbeiter in der Buchhaltung wenden unnötig viel Zeit auf, um der Flut von Papierrechnungen zu begegnen, sodass nicht nur wichtige strategische Aufgaben liegen bleiben, sondern auch Skontovereinbarungen nicht eingehalten werden können.
Der Fall des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD), das im Rahmen der GHX Exchange Services die elektronische Rechnung eingeführt hat, zeigt das enorme Einsparpotential. Durch die automatisierte Rechnungsverarbeitung konnte das UKD den Rechnungsdurchlauf deutlich verkürzen, teilweise von 20 auf 3 Tage. Das erfreuliche Ergebnis: Die Finanzabteilung des Düsseldorfer Universitätsklinikums kann nun den Großteil der Skontovereinbarungen einhalten, sodass jährlich Kosten im sechsstelligen Bereich eingespart werden.
Die Bedarfsanforderung und die elektronische Rechnung sind nur zwei Beispiele dafür, wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen aussehen kann; letztendlich lassen sich aber nahezu alle Abteilungen so umkrempeln, dass die Prozesse effizienter gestaltet und damit die Kosten für die nachgelagerten Kosten gesenkt werden.
Bisher wurde die Digitalisierung im Gesundheitswesen immer als Kür bezeichnet – die Zeit ist meiner Meinung nach endgültig vorbei. Krankenhäuser müssen jetzt erkennen, dass die Transformation der Prozesse ihre Pflicht ist. Nicht nur, um Zeit zu sparen und effizienter zu arbeiten, sondern um mittelfristig aus den roten Zahlen zu kommen und die sich anbahnenden Pleiten zu vermeiden.
Dr. rer. med. Christoph Luz, Geschäftsführer der GHX Europe GmbH, ist ein ausgewiesener Experte für Supply-Chain-Lösungen im Gesundheitswesen. Mit seinem umfangreichen Fachwissen, das er aus seiner mehr als 30-jährigen Vergangenheit im IT-Bereich sowie im strategischen Management zieht, gilt er in Deutschland, der Schweiz und Österreich als eine der Schlüsselfiguren der Branche.