Kaum ein Bereich im Krankenhaus ist so komplex wie das Bestandsmanagement. Ob im Wareneingang oder Konsignationslager, bei der Bestandsaufstockung, der Inventur oder der Dokumentation von Verfallsdaten – überall lauern Fallstricke, die Probleme hervorrufen können. Gleichzeitig ist das Bestandsmanagement aber auch der Bereich mit dem größten Potenzial für Skalierungen. Eine Transformation der Prozesse mag einen Change-Management-Prozess erfordern, die Vorteile sind aber immens.
Ich verrate ihnen kein Geheimnis, wenn ich behaupte, dass Krankenhäuser komplexe Organisationen sind. Bei der Vielzahl von unterschiedlichen Abläufen und Verantwortlichkeiten, gepaart mit regulatorischen Anforderungen und unvorhergesehenen Ereignissen wie Lieferengpässen, wird es zunehmend schwieriger, den Patienten und dessen erfolgreiche Behandlung in den Fokus zu stellen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtiger denn je, die Komplexität zu reduzieren und stattdessen effiziente Prozesse zu etablieren, idealerweise nicht nur in einzelnen Abteilungen, sondern gleich in der gesamten Organisation.
Erklären Sie mich nicht verrückt, wenn ich behaupte, dass das möglich ist – und zwar ausgerechnet über eine Transformation des Bestandsmanagements. Warum „ausgerechnet“ das Bestandsmanagement? Wer im Krankenhaus arbeitet, wird mir zustimmen, dass dies die Domäne mit der größten Komplexität ist. Der Hauptgrund ist die fehlende Transparenz über die Bestände, sowohl im Lager als auch auf der Station. Viele Kliniken wissen nicht, welche Artikel in welchem Umfang verfügbar sind, wo sie sich befinden oder wann sie vor dem Verfall stehen. Die Bestandsaufstockung wird damit ähnlich herausfordernd wie das Management von Lieferanten oder die Optimierung von Lagerplätzen.
Die Konsequenzen, die ineffiziente Prozesse in der Bestandsverwaltung hervorrufen, finden wir deshalb nicht nur im klinischen Betrieb, sondern in nahezu allen Bereichen einer Organisation – vom Einkauf über den Wareneingang und die Logistik im Konsignationslager bis hin zum behandelnden Arzt. Allein diese Tatsache zeigt, wie komplex das Bestandsmanagement im Krankenhaus ist, andererseits wird deutlich, dass in diesem Bereich auch das größte Potenzial für Skalierungen steckt. Wenn es Krankenhäuser also schaffen, mehr Transparenz über ihre Bestände und ihre Lagerflüsse zu erhalten, profitiert davon die gesamte Organisation.
Die gewünschte Transparenz erreichen sie über Daten, die sie durch den Einsatz digitaler Lösungen gewinnen. Anstatt zu Stift und Papier zu greifen, individuelle Excel-Kalkulationen zu verwenden oder Mitarbeiter für die Modulschrankversorgungen abzustellen, muss es eine zentrale Software-Lösung für das Bestandsmanagement geben, die über Barcode-Scanner mit Daten gespeist werden kann. So entfällt die manuelle Datenerfassung, die wie viele andere Aufgaben in der Bestandsverwaltung sehr zeitintensiv und fehleranfällig ist.
Neben verlässlichen Daten, die die Grundlage für ein effizientes Bestandsmanagement und damit auch das Fundament der Lösung bilden, hängt der Nutzen einer Lösung auch von seinen Features ab. Ob für die Inventur, die Bestandsaufstockung oder die Dokumentation von Verfallsdaten – wenn zuvor manuell geprägte Tätigkeiten durch automatisierte Prozesse abgelöst werden, leiten Gesundheitsorganisationen die Transformation des Bestandsmanagements ein und reduzieren so die schier unüberwindbare Komplexität.
Eine Grundvoraussetzung ist die Anbindung der Lösung an die Materialwirtschaft. Weil praktisch alle Krankenhäuer ihre Bestellungen über ihre MaWi abwickeln, ist es zwingend notwendig, hier auch die Bestände abzubilden. Wenn Bestandsverwaltung und Materialwirtschaft miteinander vernetzt sind, können Gesundheitsorganisationen ihre Lagerartikel ohne großen Aufwand anfordern und Artikel identifizieren, die zeitnah gebraucht werden, aber nicht auf Lager sind. Damit kommen sie dem Ziel näher, nicht im Übermaß, sondern wirklich bedarfsgerecht zu bestellen.
Gehen wir von der Theorie in die Praxis und widmen uns konkreten Praxis-Beispielen, die zeigen, wie Gesundheitsorganisationen von automatisierten Prozessen für das Bestandsmanagement profitieren.
1. Zeitersparnis
Barcode-Scanner im Krankenhaus machen dem klinischen Personal das Leben leichter. GTIN scannen, Artikel entnehmen – fertig. Wenn Scanner und Software-Lösung miteinander verbunden sind, werden die Daten beim Scan-Vorgang automatisch erfasst, ohne dass jemand etwas tun muss. Das spart Zeit und Nerven, denn die manuelle, oftmals fehlerhafte Datenerfassung gehört so der Vergangenheit an.
2. Automatisierte Bestandsaufstockung
Indem Hard- und Software zusammenspielen, wird die Information über die Entnahme eines Artikels an die Lösung übertragen. Sobald der Bestand in einem Schrank auf eine festgelegte Minimalgrenze sinkt, sollte durch vorab definierte Regeln eine automatisierte Bestandsaufstockung ausgelöst werden. Wenn der Artikel im Zentral- oder Konsignationslager verfügbar ist, wird in diesem Fall eine Kommissionierung angestoßen, andernfalls kann der Einkauf die Information nutzen und den Artikel beim Lieferanten nachbestellen.
3. Einfache Bestandszählungen
Wenn sowohl die krankenhauseigenen als auch die konsignierten Bestände digital erfasst sind, entfällt eine der leidvollsten Aufgaben des Bestandsmanagements: die Inventur. Ob vollständige oder zyklische Bestandszählungen, ob bestimmte Warengruppen oder einzelne Versorgungsschränke – mit einer digitalen Lösung, die mit Echtzeit-Daten arbeitet, benötigen Kliniken für die Bestandsaufnahme nicht mehr Stunden oder gar Tage, sondern nur noch wenige Minuten.
4. Vermeidung von Abfällen
Ein weiterer Vorteil intelligenter Software-Lösungen für das Bestandsmanagement im Krankenhaus ist eine effizientere Bestandskontrolle. Wenn Ablaufdaten digital erfasst werden, können die betroffenen Fachabteilungen rechtzeitig vor dem Verfall mit der entsprechenden Information versorgt werden. Verschwendung und Abfälle lassen sich nicht nur vermeiden, wenn die Artikel anderweitig verwendet werden können, sondern auch, wenn Einkäufer die aus der Überbevorratung abgeleiteten Informationen nutzen, um künftig bedarfsgerechter zu bestellen. Das spart Kosten, unterstützt aber auch das erklärte Ziel vieler deutschen Gesundheitsorganisationen, das Thema Nachhaltigkeit mehr in den Fokus rücken.
5. Optimierung von Lagerkapazitäten
Eine bedarfsgerechte Beschaffung reduziert nicht nur die Verschwendung im Krankenhaus, sondern trägt auch dazu bei, die Lagerkapazitäten zu optimieren. Indem Krankenhäuser den Lagerbestand auf das richtige Maß reduzieren, das den tatsächlichen Anforderungen entspricht, machen sie wertvollen Lagerraum frei, der im Gesundheitswesen oft rar gesegnet ist. Werden die Lagerbestände sogar so weit heruntergefahren, dass Vorrats- und Lagerräume aufgelöst werden können, reduzieren sich auch die direkten Kosten für Liegenschaften und das Gebäudemanagement.
6. Vereinfachung des Lieferanten-Managements
Sofern auch Logistiker im Krankenhaus die Software-Lösung für das Bestandsmanagement nutzen, können Wareneingänge verbucht und mit anderen Abteilungen geteilt werden. Informationen über unvollständige, fehlerhafte, verspätete oder verpasste Lieferungen lassen sich nutzen, um die Leistungsfähigkeit von Lieferanten im Blick zu behalten. Die gewonnene Transparenz vereinfacht das Lieferanten-Management, das vor allem für die strategischen Einkäufer ohne entsprechende Daten oft eine Sisyphusarbeit ist.
7. Rückverfolgbarkeit von Chargen
Barcode-Scanner helfen nicht nur bei Bestandszählungen, sondern erlauben auch eine effizientere Rückverfolgbarkeit von Chargen. Hintergrund ist die Medical Device Regulation (MDR), die einen hohen technischen Standard von Medizinprodukten sicherstellen und den Patientenschutz erhöhen soll. Krankenhäuser unterliegen einer Dokumentationspflicht, das heißt, sie müssen beim Rückruf von implantierten Medizinprodukten innerhalb von 3 Tagen eine Liste der betroffenen Patienten vorlegen können.
Während konventionelle Patientenakten und papierbasierte Implantat-Dokumentationen die Rückverfolgbarkeit kaum gewährleisten können, schafft ein Bestandsmanagement mit patientenbezogener Chargenverwaltung auch hier die nötige Transparenz. Durch die digitale Materialerfassung mittels Barcode-Scanner können im OP verwendete Medizinprodukte mit in der Warenwirtschaft dokumentierten Informationen angereichert werden. Bei chargenpflichtigen Medizinprodukten finden so auch Chargennummer und Menge den Weg in die relevanten Informationssysteme – erst ins OP-Programm, dann in die digitale Akte des Patienten, der im Falle eines Rückrufes anhand von Typ, Chargennummer oder Hersteller eines Medizinproduktes innerhalb weniger Sekunden identifiziert werden kann.
8. Verbesserung der Patientenversorgung
Die Rückverfolgbarkeit von Chargen ist nur ein Aspekt des Bestandsmanagements, der zu einer besseren Patientenversorgung führen kann. Auch Benachrichtigungen zum vor dem Verfall stehende Produkte sowie Hinweise auf fehlende Bestände unterstützen Krankenhäuser dabei, dass die richtigen Artikel zur richtigen Zeit am richtigen Ort ankommen, und tragen damit maßgeblich zu einer höheren Versorgungssicherheit bei.
So verlockend die Vorteile klingen, so schwierig ist es in vielen Gesundheitsorganisationen auch, die etablierten, oftmals manuellen Prozesse abzulösen. Die Herausforderung liegt vor allem darin, dass nicht nur eine Abteilung betroffen ist; vielmehr muss die gesamte Organisation einen Wandel vollziehen. Eine Transformation des Bestandsmanagements im Krankenhaus geht in den meisten Fällen mit einem Change-Management-Prozess einher, der mit Arbeit und anfänglichen Investitionen verbunden ist.
Letztlich werden sich die Mühen aber immer auszahlen – und hier können Sie mich wörtlich nehmen. Ein effizientes Bestandsmanagement im Krankenhaus, das Hard- und Software-Systeme miteinander vernetzt, die Macht von Daten für eine verbesserte Entscheidungsfindung unterstützt und so zu einer erhöhten Transparenz in der Organisation führt, spiegelt sich mittelfristig in den Bilanzen wider. Durch digitale Abläufe in der Bestandsverwaltung senken Krankenhäuser aber nicht nur ihre Kosten, sie ergreifen auch wichtige und vom Gesetzgeber geforderte Maßnahmen, um das wichtigste Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung.
Hani Jomaa, Senior Technical Product Manager bei GHX Europe, ist ein ausgewiesener Experte rund um das Thema E-Procurement. Als Verfechter von intuitiven und benutzerfreundlichen Anwendungen entwickelt er intelligente Lösungen, die Krankenhäuser bei der digitalen Transformation ihrer Prozesse für das Anforderungsmanagement und die Bestandsverwaltung unterstützen.
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